Nachruf für einen besonderen Tierheimbewohner – Ajax (2015-2024)
Am Montag, den 04.11.2024, ist ein ganz besonderer Hund von uns gegangen. Sein Name war Ajax, und er war fast zwei Jahre mein Patenhund. Gemeinsam haben wir in den letzten zwei Jahren viel voneinander gelernt. Davon möchte ich hier an dieser Stelle berichten:
Als ich ihn zum ersten Mal kennenlernen durfte, zeigte er ein nervöses, angespanntes Verhalten. Ajax konnte im Zwinger nicht stillsitzen; er lief von einer Tür zur anderen. Vorbeilaufende Menschen und Hunde bellte er ununterbrochen an. Draußen war er ebenfalls aufgrund der vielen neuen Reize und seiner Abneigung gegenüber fremden Hunden ziemlich aufgeregt. Im Vorfeld wurde ich darauf vorbereitet, dass er aufgrund von Beißvorfällen gegenüber Menschen maulkorbpflichtig (keine behördliche Auflage) wäre. Mir war klar: Ich muss mein Verhalten anpassen, wenn ich mich nicht selbst gefährden und Ajax zu einem entspannteren Leben verhelfen will.
Also wurde ich Ajax kompletter Gegenpol. Nach der Arbeit hieß das also erst einmal, kurz vor dem Tierheim bewusst eine Pause zu machen und das, was ich in meinem Arbeitsalltag erlebte, draußen zu lassen. Ich gab Ajax bis zuletzt das, was er brauchte: Ruhe, Zuverlässigkeit, bedingungslose Liebe, Respekt, viel Zuwendung und Führungsstärke. Im Gegenzug lernte ich, komplett abzuschalten – sowohl von privaten als auch beruflichen Herausforderungen.
Mit der Zeit bemerkte ich: Dieser Hund kann ja auch viel zurückgeben. Es fing damit an, dass er aufhörte, obsessiv auf sein Essen zu warten und ständig jeden Hund und jede Person anzubellen. Die Phasen, in denen er ununterbrochen am Gitter stand und bellte, wurden weniger. Er begann im Zwinger auch ab und zu mal nach mir zu schauen. Unvergessen bleibt der Moment, als ich im Zwinger, auf dem etwas kühleren Boden, saß und Ajax eine Decke aus seinem Körbchen zog und mir brachte. Die Decke gehörte plötzlich mir. Kein Spiel, kein Zerren – nur ein kurzes Sicherstellen, ob die Decke nun auch wirklich unter meinem Hintern gelandet ist. Solche Momente erlebte ich oft; er zeigte zunehmend mehr Zuneigung.
Von da an entwickelten wir uns langsam zu einem Team. Draußen begann er, Kontrolle an mich abzugeben, Kommandos vollständig ohne Futterbelohnung anzunehmen und mich bei Hundebegegnungen als gleichwertige Führungsperson anzusehen.
Wir gingen auch mit anderen Paten und Hunden spazieren und erkundeten wohl jeden einzelnen Stein von Sondelfingen bis Metzingen.
Im Zwinger legte er sich das erste Mal nach fast einem Jahr ruhig hin und konnte in meiner Anwesenheit etwas entspannen.
Irgendwann platzte der Knoten ganz, und Ajax entspannte sich völlig.
Neben den überschwänglichen Knutsch-Begrüßungen, die bereits zu Beginn unserer gemeinsamen Zeit beim Anziehen vor dem Gassigehen begannen, bis zu dem Moment, in dem ich immer häufiger einen absolut ruhigen und ausgeglichenen Hund im Zwinger zurückließ. In letzter Zeit entwickelte er sich sogar zu einer richtigen Knutschkugel – vom Hund, dessen Zwinger kaum jemand betrat, zu dem Hund, der jedem freundlich entgegenblickte. Er rollte sich plötzlich in meiner Anwesenheit auf den Rücken, ließ mich entspannt seinen Bauch kraulen und schlief manchmal sogar dabei ein. Ich will nicht lügen, es gab dabei auch das ein oder andere „Windchen“ seinerseits, aber das hatte ich in den letzten fast zwei Jahren neben seinem stark ausgeprägten Beschützerinstinkt als einen Teil seiner „Love Language“ akzeptiert.
Seine Augen begannen mit der Zeit zu strahlen, genauso wie meine, weil er mir auch sehr viel zurückgab. Es war erstaunlich zu sehen, wie er plötzlich so viele neue menschliche Freunde fand – ohne sich mit Futter bestechen zu lassen. Auch von Besuchern im Tierheim erhielt er immer wieder das Lob, dass er so nett aussehe. Das stimmte tatsächlich: Ajaxs Augen strahlten mehr Freundlichkeit aus; er hatte nicht mehr das Bedürfnis, mich, mein Auto und den Zwinger bedingungslos und angespannt zu beschützen.
Natürlich war er immer noch wachsam, aber er vertraute mir, Situationen einzuschätzen und ihn auch einmal zu schützen. Unvergessen bleibt auch der Moment, als ich zufällig herausfand, dass Ajax, der große, starke, schützende Kangalmischling, Angst vor Luftballons hatte. Ich meine, bisher keinen Hund gesehen zu haben, der so skeptisch jede einzelne Faser eines Luftballons untersuchen musste und immer wieder vor Schreck ins Gebüsch sprang. Der Hund, der meinen Rücken bewachte, wenn ich mal einen Schuh binden musste, oder manche Menschen anbellte, wenn sie mir seiner Meinung nach zu nahe kamen, wurde plötzlich ganz klein und doch nicht mehr so mutig. Auch hier war ich gefordert: Ich schlug den bösen Luftballon in die Flucht, und wir setzten unsere Reise in Richtung Achalm fort.
Nun trat er aber seine letzte Reise an. Unvergessen wird er immer in meinem und in vielen anderen Herzen bleiben.
Anita